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Spießer-Psychogramm

 

Feb. 2025

 

Psychogramm (Charakteristik) der Spießer

 

Da die Mehrzahl der Leute in Deutschland (und vermutlich in allen Industrieländern) aus Spießern (S) besteht, empfiehlt es sich für Leute, die keine Spießer sind, gewisse Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit ihnen einzuhalten. Dazu erscheint es mir sinnvoll, dass man auch ihre typischen psychischen Eigenarten genauer kennt. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen und darum ist es für eine realistische Lebensweise wichtig, sich ansonsten unverständliche Verhaltensweisen anderer Menschen ins Verständliche zu übersetzen. Man schließt ja gerne von sich auf Andere. Das ist aber seitens eines Non-Spießers gegenüber Spießern vollkommen unangemessen. Ja, im Gegenteil, Spießer benutzen diese Schwäche, um einen Non-Spießer zu manipulieren. Oft genug muss man sich dann eingestehen: Die Gutheit ist eine Form der Dummheit. – Aber nicht nur im rein privaten Bereich spielen S eine verhängnisvolle Rolle, sondern erst recht im politischen Bereich.

 

Aus meiner Lebenserfahrung, die unter anderem darauf beruht, dass ich beispielsweise seit meiner Schulzeit an Spießer ausgeliefert war, oder mit ihnen enger zu tun hatte, aber auch aufgrund meiner (langjährigen) Studien und wissenschaftlichen Interessen, kann ich nun versuchen, solch eine Charakteristik der Spießer zu formulieren.

 

  • Als non-S macht man grundsätzlich den Fehler, dass man davon ausgeht, dass Menschen Menschen sind: Alle Menschen sind prinzipiell gleichberechtigt, und jeder hat das Recht ernstgenommen zu werden, falls er/sie sich anständig und vernünftig verhält. Das sehen S völlig anders. Und deshalb muss ein Non-S sie gleichfalls anders sehen. Was ist da anders? – Spießer sind in ihrer Kindheit nicht geliebt, sondern bestenfalls verwaltet worden. Falls sie als Kinder echte Nähe suchten, wurde dies abgewehrt. Die Eltern (Vater und/oder Mutter, oder engere Bezugspersonen) plusterten sich rollenmäßig zu distanzierten, manipulativen Chefs gegenüber dem Kind auf. Diese Chef-Rolle hat das Kind bewundert und als Haltung übenommen. Und dadurch wurde es zum ‚Spießer‘. Insofern gilt: Wenn ein Non-S unwillkürlich eine Beziehung herstellen will mit einem S, also eine normale natürliche Nähe durch Reden und Verhalten entwickelt, so macht er sich für den S lächerlich bzw. der Non-S wirkt zumindest befremdend, in jedem Fall minderwertig auf den S. Der S produziert sodann ein überlegenes, autoritäres Eltern-Ich (Eric Berne) gegenüber dem Non-S als zu manipulierendes ‚Kind‘. – Folgerung: Deshalb muss man möglichst vermeiden, wenn man das festgestellt hat, irgendeine Beziehungsnähe zu dem betreffenden S (weiterhin) herzustellen. Distanzierte Sachlichkeit ist angesagt: Nur das Nötigste ansprechen, wenn überhaupt! Keine eigenen Rechtfertigungsversuche bei ungerechtem, ungebührlichem Verhalten des S, keine ‚Erziehungsversuche‘ am ungeeigneten, überheblichen Subjekt. Keine Diskussionen, erst recht keinen Dialog im eigentlichen Sinne (vgl. Martin Buber: Das Dialogische Prinzip). Das ist eine wichtige Übung – und man sollte sich so früh wie möglich darin trainieren.
  • Für seinen geistigen Halt braucht der Spießer Dogmen statt argumentativer Suchhaltung. Ein starres Korsett des Geistes. Ein S wurde als Kind nie ernst genommen, wenn es redete. Es konnte also von vornherein keine ernsthafte, vernünftige Kommunikation mit gleichberechtigter Rede und Gegenrede entwickeln. Deshalb kann ein ausgewachsener Spießer unliebsame, kritische Argumente, selbst wenn sie noch so gut begründet und gut gemeint sind, nur als ‚Hassrede‘ interpretieren. Das ist überhaupt ein Prüfstein, ein Kriterium, ein Kennzeichen, das einen Non-Spießer zum Nachdenken bringen sollte. Folgerung: Eine vernünftige Diskussion ist also mit einem S nicht möglich - erst recht natürlich kein Dialog im eigentlichen Sinne (vgl. Martin Buber). Der Spießer kann nicht wirklich auf argumentative Rede eingehen. Er kann gar nicht hinhören, was ein Non-S wirklich sagt; er fragt auch nicht nach, er weiß es sowieso besser. Man sieht hier wieder die armselige Kindheit des Spießers herausschimmern, wie es ihm selbst ergangen ist. Statt auf die Argumentation ernsthaft einzugehen, erzeugt er sich ein ‚Narrativ‘, das ihn im goldenem Licht eines überlegenen Chefs erstrahlen läßt, das vollständig die kritischen Argumente des Non-S von sich abwehrt und damit, in diesem strahlenden Schutzmantel, diese Argumente schlicht nicht zur Kenntnis nimmt, sie ignoriert und sie (oft genug) mit Unterstellungen als bösartig interpretiert.
  • Der S braucht strenge Hierarchien, straffe Zügel und dergl. Kooperatives Verhalten nimmt er nicht ernst. Das hat zur Folge: Der S sieht Vertrauen ihm gegenüber als Schwäche an. Vertrauensvolle Menschen (ihm gegenüber) hält er für blöd. – Folgerung: Sei vorsichtig mit Deinem Vertrauen! Du kannst einfach nicht jedem Dein wertvolles Vertrauen schenken. Ein S wird naturnotwendigerweise Dein Vertrauen missbrauchen. Verträge mit ihm sind für ihn lächerliches Papier ohne Relevanz für ihn. Verträge braucht er nicht zu lesen geschweige denn einzuhalten. Er wird Dir auf dem Kopf rumtanzen! Einem S gegenüber sich ‚gut‘ zu verhalten, ist tatsächlich ein Teil von der Dummheit.
  • S brauchen dringend das ‚schwarze Schaf‘, den ‚Außenseiter‘. den ‚Sündenbock‘. Denn dann fühlen sie sich in ihrer eigenen Idealität überlegen. Dadurch sehen sie sich bestätigt und gerechtfertigt. Der S stellt gerne Fallen, dass sich jemand als Außenseiter oder Feind outet: der S verhält sich so, dass dem gutmeinenden Mitmenschen, dem Non-S, der Geduldsfaden reißt, oder dass dieser ‚leichtsinnig‘ (d.h. nicht die fiesen Methoden der Spießer mit einkalkulierend) mit seinen Äußerungen in die Spießer-Falle tappt; da Spießer dann dieses Verhalten entsprechend (meist kollektiv) als bösartig bewerten können. Somit haben sie ihr ‚schwarzes Schaf‘.
  • Die S arrangieren sich genossenschaftlich gegenseitig als die wahren moralisch Guten. Für sie ist diesbezüglich notwendigerweise Intersubjektivität ein völlig ausreichendes Wahrheitskriterium. Für diesen Zinnober erheischen sie gesellschaftliche Belohnung und Anerkennung. Die wirkliche Realität ist, dass sie selber die Unmoralischen sind. Deren typische Art von Vereinigungen steht unter dem Motto von (zumindest geistiger) Mob-Herrschaft, Pöbel-Herrschaft.
  • Sie haben kein normales Gewissen. Von ihnen zu hoffen, dass sie einsichtig sind, ist deshalb unrealistisch. Für sie sind vertragliche Abmachungen, wie z.B. in der Politik eine ‚Verfassung‘, bestimmte Gesetze oder im Privatleben ein ‚Mietvertrag‘, ein Stück Papier, das man nach Belieben ignorieren kann. Am liebsten ist es ihnen, wie einer Verbrecherbande, wenn sie die Justiz für ihre hinterfotzigen Machenschaften einspannen können. Genauso willkürlich setzen sie sich über selbstverständliche, informelle Regeln hinweg, z.B. über Höflichkeit und Gruß, Achtung und Pünktlichkeit, ein Versprechen oder eine Vereinbarung einzuhalten – es sei denn es entspricht ihrem Interesse nach Rang und Position.
  • Im Grunde genommen ist es ihnen egal, welches Unheil sie mit ihren Fehlentscheidungen anrichten. Sie sind lediglich an ihrer Position, ihrem eigenen Rang interessiert. – Ja, es lässt sich sogar vermuten, dass der Freud’sche ‚Todestrieb‘, so absurd diese Theorie (z.B. von Kriegsursachen) ist, einen wahren Kern hat, was die Spießer betrifft. Da ihnen im Grunde genommen das ganze Leben verekelt ist (ohne wirkliche Beziehungen, ohne wirklichen Sinn) sehnen sie sich (insgeheim) nach Krieg. Nicht nur wegen der Sensationen, Sieg Heil usw., sondern auch, weil Krieg, Destruktion und Feindseligkeit ihrem Charakter entgegenkommt.
  • S wollen dumm bleiben und grundsätzlich nix dazu lernen. Bestenfalls trainieren sie ihr formelles Können und ihre Dogmen. Überhaupt ist Formalismus ihre Stärke. Z.B. als Juristen, Lehrer, Ärzte, Beamte, Krankenschwestern oder als Wissenschaftler (beispielsweise in der Statistik-Psychologie). Sie arbeiten prinzipiell nach Schema F. Sie übernehmen brav irgendwelche Weisheiten, ohne kritische Prüfung, d.h. ohne den eigenen Verstand argumentativ-beweisführend, empirisch prüfend zu benutzen. Sie sind ‚offizialhörig‘, d.h. wenn eine offizielle Institution irgendwas sagt, vorschreibt oder verfügt, dann ist das richtig. Kritik daran ist prinzipiell unangebracht, egal wie gut begründet die Kritik sein könnte. Auch hier sieht man wieder, wie die armselige Kindheit des Spießers durchschimmert.
  • Spießer sind fanatische Anhänger von Verboten, Schikanen, Kontrollen und Zensur. Sie sind banale Bürokraten, die durchaus (teilnahmslos) pflichterfüllend an schlimmsten staatlichen Verbrechen beteiligt sein können (Hannah Arendt - Die Banalität des Bösen). Bei ihren gewöhnlichen  bürokratischen Pflichten verlieren sie sich gerne - frei von jeglichem eigenen Hinterfragen des Sinns - in bizarren Schikanen und Formalitäten. Sie haben Furcht vor der Freiheit (Erich Fromm); und gegenüber geistiger Selbständigkeit haben sie ein tiefes Unverständnis.
  • Da es die Spießer nicht genau nehmen mit der Wahrheit, unterstellen sie dies auch allen anderen, natürlich auch den Non-Spießern (Projektion). Und zwar nicht in besonderen Situationen, wo dies nahezuliegen scheint, sondern sie gehen generell, sozusagen a priori davon aus, dass gelogen und getrickst wird. Eigentlich gibt es für sie keine Wahrheit, auch keine Annäherung an dieselbe, insofern sind sie Relativisten. Sie können bestenfalls etwas nachbeten, was durch Autorität abgesicherter Konsens, Konvention ist; das ist dann ihr Dogmatismus.
  • Sie neigen zu ‚Sonntagsreden‘. D.h. sie stellen ein moralisches Ideal vor, das sie angeblich befolgen (wollen), an das sie glauben. Aber sie realisieren es nicht konkret – sondern im Gegenteil: ihre reale Praxis widerspricht diesem Ideal. Man denke etwa an das Ideal der Gerechtigkeit und Ausgewogenheit, oder an die typische Rede eines Parlamentspräsidenten zur Eröffnung der Saison: „Das Parlament braucht die Debatte und auch den Widerspruch“. Oder an das Ideal der Demokratie und der Meinungsfreiheit, der Toleranz und Nicht-Diskriminierung.

 

 

 

 

 

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