Zur Zeit rollt das Thema “Narzissmus” von USA herkommend durch YouTube. Ganz offenbar handelt es sich bei diesem hier gemeinten (abnormalen) Narzissmus um eine gesellschaftliche Seuche, die in USA scheinbar jetzt besonders drastisch zum Vorschein kommt, aber auch schon lange hier in Deutschland angekommen ist.
Ich bringe exemplarisch einen Link zu einem der selbst Betroffenen - Ross Rosenberg - , der nun ein besonders gut ausgestattetes Wissen um das Thema hat und aufgrund eigenen Fehlverhaltens, weiß was (meist Verheiratete) ‘Opfer’ dieser Art von Narzissten vermeiden sollten. Lesenswert sind auch die YouTube Kommentare, sie sind oft wirklich intelligent. Beispielsweise der folgende:
Jeanette Cook: “... The only marriage I had was my own illusion!”
Das deswegen, weil die hier gemeinten abnormalen Narzissten extrem manipulativ sind und nach ‘Opfern’ Ausschau halten, denen sie was vormachen können. Es lohnt sich, die diversen YouTube Videos zu studieren, da es sich hier um ein wichtiges gesellschaftliches Phänomen handelt.
Mein eigener Kommentar (am 12.06.22) zu dem Video von
Ross Rosenberg
When You Unmask a Covert Narcissist, RUN, But Quietly!
Counterfeit [gefälschte] Relationship.
PART 2 COMING SOON!
https://www.youtube.com/watch?v=3an9crV9feM
lautete:
<You are very good and muy simpatico! And your knowledge and advices are great. - Alas, I am missing a consideration of the cause of this abnormal narcisstic behavior. My own hypthesis runs in the direction of "she's a spoiled little madam". Those children learn how to manipulate their parents, and subsequently all the other stuff how the conduct of a (abnormal) 'narcisst' is described; f.i. to play off somebody against somebody else to get an ally to support me in a conflict. - So, because the spoiling of children is - in my opinion - a MISINTERPRETED caring education (after the authoritarian form of education, expressly before WW2) as a mass movement, there follows a great and growing number of abnormal narcissts nowadays.>
In einem Video von Jill Wise werden operational 10 hervorstechende Züge solcherlei Narzissten dargelegt:
Top 10 Behaviors and Traits of the FEMALE NARCISSIST
https://www.youtube.com/watch?v=OsLFwvJ9d38
Die 10 Punkte wurden in einem Kommentar von Russell Hawkins noch von einem elften ergänzt:
Gemäß meinem obigen Kommentar, wonach ich annehme, dass jener Narzissmus sich in der Kindheit durch eine falsche Erziehungsmethode entwickelt, möchte ich versuchen, den Haupt-Dreh dieses Vorgangs zu erfassen, durch den sich etwa eine „spoiled little madam“ herausbildet.
Ich beziehe mich zu diesem Zweck auf eine (von mir modifizierte) Idee von Harry Frankfurt, einem amerikanischen Philosophen. Er unterscheidet ‚Personen‘ (im eigentlichen Sinne) von ‚Wantons‘, die primär auf ihre Wünsche aus sind. Natürlich hat ein Kind jede Menge Wünsche. Die Frage ist, ob es sich diese Wünsche auf produktive Weise oder auf manipulative Weise erfüllt - oder einfach so erfüllt bekommt (siehe unten, der Fall ‘Oblomov’). Die produktive Weise würde beispielsweise bedeuten: ich kann erst raus in den Garten, wenn ich selber mir die Schuhe angezogen habe. Bei der manipulativen Form des Vorgangs will das Kind auch in den Garten, aber wenn es schon extra Schuhe dafür anhaben soll, dann soll gefälligst die Mutter diese Schuhe anziehen. Jetzt kann etwa folgendes passieren: Die Mutter sagt:
1. Das kannst du doch schon
oder
2. Probier es doch mal
oder
3. Dann zieh ich einen an und du einen
oder
4. Dann mache ich es, aber morgen machst du es.
(Gerne auch Kombinationen dieser Halbheiten oder alle 4 Varianten hintereinander)
Das Kind erkennt die Lücke in dieser Halbheit: also diejenige Hälfte, die ihm Wanton-mäßig zusagt. Es spürt, oder weiß aus Erfahrung: die Mutter wird schließlich nachgeben, wenn ich Druck mache (es hat sich hier sowieso schon ein entsprechendes System der Interaktion zwischen Mutter und Kind im Laufe der Zeit eingespielt (was wohl die Folge des Komplementaritäts-Modells ist) - oder wird sich auf diese Weise in Zukunft einspielen). Es folgt: Das Kind plärrt los – und irgendwann gibt die Mutter nach und zieht dem Kind die Schuhe an. – Diese Art widersprüchlicher Erziehung ist der Hauptdreh des Vorgangs, den ich meine: Das Kind lernt (im Beispiel durch sein Losplärren) die Mutter zu manipulieren, dass es ohne eigene Vorleistung in den Garten gehen kann. Sein Wunsch wird dadurch quasi umweglos erfüllt. Der einzige Pseudo-Umweg ist dieses manipulative Losplärren. - Aufgesetztes, manipulatives Weinen des armen Kindes ist übrigens ebenfalls eine gängige Methode. Viele Eltern können echtes Weinen ihres Kindes nicht von künstlichem, manipulativem, aufgesetztem Weinen unterscheiden. Auch das lernt das Wanton-Kind. – Das Wanton-Kind kann auch noch andere solcher manipulativen Pseudo-Umwege erfinden. Schön ist zum Beispiel, wenn es lernt, charmant & ‘süß’ zu sein, um damit seine Eltern einzuwickeln, die davon ganz begeistert sind, wenn es seine Schuhe auszieht und freudig in hohem Bogen in irgendeine Ecke schmeißt. Die Schuhe einsammeln machen dann natürlich die Eltern selber. - Seine Intelligenz wird somit auf unproduktive und asoziale Weise ausgeprägt. Ein anderer manipulativer Pseudo-Umweg etwa wäre, den Papa gegen die Mama auszuspielen. Mama will mir keine Schokolade geben? Dann gehe ich eben zu Papa, der macht sich da nix draus, mir Schokolade zu geben, der freut sich sogar, dass ich zu ihm komme. In diesem Fall hätte man die Widersprüchlichkeit zwischen den Elternteilen, die hier manipulativ ausgenutzt wird.
Das Gegeneinander-Ausspielen ist übrigens einer der Hauptzüge des ausgewachsenen Narzissten (siehe oben der Punkt 10 bei Russell Hawkins). „Narzisstische Triangulierung“ bedeutet, dass der Narzisst N einer Person A ‚gefärbte‘ Informationen über eine andere Person B gibt, um A entsprechend bzgl. B zu beeinflussen. In Familien mit einem narzisstischen Elternteil ergibt sich deswegen häufig die Diskrepanz zwischen „goldenes“ Kind und Sündenbock. (Siehe dazu https://www.narzissmus.org/triangulierung/). Manipulative Triangulation kann z.B. auch benutzt werden, um einen Verbündeten gegen einen Konfliktpartner von W zu gewinnen: „Papa, die Mama will mir meine Geburtstagsschokolade nicht geben!“ Der Papa ist empört über die herzlose Mama. Der Punkt, den das Wanton-Kind wohlweislich ausgelassen hat, war, dass die Mama sagte: „Du kriegst erst Deine Schokolade, wenn Du den Teller mit Kuchen aufisst, den Du Dir gerade vollgeschaufelt hast.“ Auch hier ist natürlich der Widerspruch zwischen P und M, die sich offenbar nicht richtig miteinander verständigen können, das Problem, das jetzt von W ausgenutzt wird. Und wenn’s funktioniert: Wieder was dazugelernt!
Um nochmals zurückzukommen auf das Problem von ‚Wanton‘ und ‚Person‘, so ist der ‘Narzisst’ (im Sinne der amerikanischen YouTube-Videos, kurz “narc” benannt) insofern keine Person, als er/sie prinzipiell unproduktiv, dafür aber hochgradig manipulativ bzgl. anderer Menschen ist, um seine Wünsche zu erfüllen. Und die menschliche Intelligenz auf dieses manipulative Rad zu schaufeln, statt auf ein produktives Rad, ist die eigentliche soziale Fehlanpassung dieses Narzissten. Aufgrund jener sich ausbildenden Fehlanpassung in die unproduktive, manipulative Richtung ergeben sich dann alle weiteren typischen Eigenschaften des ausgewachsenen Narzissten, wie sie in den obigen 11 Punkten von Russell Hawkins (angelehnt an Jill Wise, der Autorin des Videos) ansatzweise zum Ausdruck kommen. Der Narzisst ist beispielsweise „overly sensitive to criticsm“ (Punkt 4 in der obigen Tabelle von Russell Hawkins). Insofern der Narzisst aufgrund seiner Unproduktivität naturnotwendigerweise unfähig zur Argumentation im eigentlichen Sinne, also zum Abwägen von Gründen ist (siehe dazu Nida-Rümelin, Die Irrationalität des Wanton, in: „Über menschliche Freiheit“, Reclam, Stuttgart 2005, Seite 80ff.), kann er nicht unterscheiden zwischen positiver und negativer Kritik. Was aber das spezifisch Narzisstische daran ausmacht, ist das „overly“, die übermäßige Empfindlichkeit gegenüber Kritik. Er ist nicht einfach nur beleidigt und wird deswegen herumzetern (wie sozusagen normale Argumentationsunfähige), sondern er wird gegenüber Kritik auf Rache sinnen. Und zwar insoweit als diese Kritik seine Unproduktivität enthüllt. Wenn ein junger Narzisst grandiose Karrierevorstellungen offen verkündet und jemand macht ihm klar, dass ihm dazu in Wahrheit die notwendige Motivation – also nicht die Intelligenz - fehlt, die entsprechenden Hürden zu überwinden, dann wird man diese übermäßige Empfindlichkeit gegenüber Kritik zu spüren bekommen. Der Narzisst bricht jeden Kontakt mit dem Kritiker ab (auch wenn die Kritik gut gemeint war) und beeinflusst in Zukunft, soweit wie möglich, alle Leute negativ gegen den Kritiker. – Selbstverständlich ist klar, dass der Narzisst niemals irgendwelche höheren Ziele, sofern sie ernsthaftes, produktives Arbeiten erheischen, grundlegend angeht. Er wird immer herausfinden, wer oder was schuld daran war, dass es vereitelt wurde. Und da ihm das Wissen und die Erfahrung bzgl. ernsthaft produktiver Arbeit fehlt, kann er auch nicht anerkennen, wenn andere produktiv fähig sind und entsprechendes leisten, daran ist er/sie mindestens uninteressiert, üblicherweise respektlos eingestellt (Punkt 11 von Russell Hawkins: highly dismissive of the achievements of others; aber auch Punkt 1: extremely competitive). Insofern ist ein Wanton-Narzisst prinzipiell ungebildet, bestenfalls halbgebildet, oberflächlich und faul oder zumindest nur schmalspurig motiviert. Vielleicht kann er manche Leute blenden (sich selber vermutlich auch), indem er beispielsweise sämtliche Werke von Marx & Engels im Regal stehen hat, die er (angeblich) gewillt ist, alle zu lesen. Wenn man jedoch zur Sache kommt, und mit ihm gemeinsam ein wichtiges Buch von Marx “Zur Kritik der Politischen Ökonomie” durchstudieren will, und man trifft sich auch diesbezüglich extra zu einem Termin, so muss man feststellen: er ist in Wahrheit vollkommen desinteressiert.
Man sollte meiner Ansicht nach jedoch noch unterscheiden zwischen aktiv manipulativen Wantons - das, was die Amis bei YouTube als ‘Narzissten’ definieren - und eher passiven Wanton-Narzissten, die sich träge durchfüttern und versorgen lassen, so wie das in dem großartigen Buch des russischen Autors Gontscharow “Oblomov” dargestellt wird. Ein verwöhnter junger Adliger, der lethargisch und unmotiviert mit seinem Leben nix anzufangen weiß. Mit Manipulation anderer Leute, die ihm zu Diensten sein sollen, hat der relativ wenig am Hut, der will hauptsächlich seine Ruhe haben und dass für ihn weitgehend gesorgt ist - ohne dass er dafür viel tun muss. - Und zwar deswegen, weil irgendeine Mutter, Tante, Oma oder diverse Bedienstete ihm in der Kindheit möglichst alle selbsttätigen Aktivitäten sorgend und großzügig abgenommen haben. Da musste der junge Oblomov erst gar nicht groß irgendwelche widersprüchlichen Erziehungsweisen durch Manipulation in seinem Wanton-Sinne ausnutzen. Die unproduktive Erfüllung seiner Wünsche wurde ihm schon weitgehend auf dem Silbertablett serviert.
Die Formel der falschen Erziehung hin zum Wanton-Narzissten ist in beiden Fällen (der Oblomov-Variante und der manipulativen Variante) die gleiche: eine wohlwollende, sorgende, liebende Erziehung wird mißverstanden oder fehlinterpretiert dadurch, dass die Erzieher zum Diener des Kindes werden, anstatt das Kind zu fördern hin zum produktiven Werksinn, zur Eigeninitiative und zur Autonomie. Das ist nicht nur das, was das Kind eigentlich braucht, es ist sogar das, was es eigentlich will! Denn erst dadurch wird es zur voll entwickelten ‘Person’ - und Entwicklung, d.i. eigenständige Informationsgewinnung in der gelingenden aktiven Handlung, führt zu Zufriedenheit bis hin zur Freude im FLOW-Effekt.
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Zitate aus dem Buch von Michael Winterhoff
Warum unsere Kinder Tyrannen werden.
Goldmann München 20108
Die theoretischen Überlegungen des Autors, er ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sind für mich nicht immer überzeugend, jedoch in dem Buch gibt es etliche sehr gut dargestellte Beispiele für das hier von mir behandelte Thema. Daraus werde ich ein paar Passagen zitieren. Und zwar werde ich Schulbeispiele, so interessant sie sind (z.B. S.21-25 „Ein erstes Fallbeispiel: Niklas oder: Ein ganz normaler Tag in einer Grundschule“), außen vorlassen und mich mehr auf die Ursituationen (üblicherweise Mutter-Kind) konzentrieren. Aus der Fülle der Beispiele bringe ich nur drei und daraus auch nur kurze Textabschnitte. Wer sich intensiver mit allen diesen Veranschaulichungen und möglichst auch in voller Länge, befassen will, sollte sich das diesbezüglich sehr empfehlenswerte Buch besorgen.
Frau Falkenberg versteht jedoch nicht, woran diese Verweigerungshaltung liegen könnte, und ist verzweifelt über die Verhaltensweise ihrer Tochter (…) Sie schreit ihre Mutter an, wird bisweilen sogar handgreiflich und schlägt oder tritt sie. Auch das Herumwerfen von Gegenständen gehört zu ihren bevorzugten Reaktionsweisen in Konfliktsituationen, vorrangig werden dabei Gegenstände zerstört, die der Mutter besonders lieb sind. Versuche von Frau Falkenberg, Sara zu etwas zu bewegen, werden von dieser grundsätzlich boykottiert.> (S.35)
<Die Reaktion des Kindes hat es in sich: Claudia beginnt nicht nur zu weinen, sie wirft sich gleichzeitig auf den Boden und ruft immer wieder laut, die Mutter habe doch den [imaginären] Muffin auf keinen Fall bereits jetzt anbeißen dürfen.
Das Kind ist etwa 15 Minuten lang nicht ansprechbar, übertönt Beschwichtigungsversuche mit lautem Schluchzen und wehrt sich gegen körperliche Annäherung durch Strampeln und Schlagen. Dann hat die Mutter die rettende Idee: Sie kann Claudia glaubhaft machen, dass sie ja nur einmal in das Gebäckstück gebissen habe und folglich den Rest noch in Händen halte. Also könne man diesen ja mit nach Hause nehmen, und zu einem von Claudia bestgelegten Zeitpunkt werde der Muffin dann gegessen.
Das Kind akzeptiert zwar diesen Vorschlag, nicht jedoch ohne die Mutter darauf hinzuweisen, dass so etwas aber keinesfalls noch einmal vorkommen dürfe. Als Mutter und Tochter den Kindergarten schließlich verlassen, trägt die Mama sowohl den Rucksack als auch die Jacke ihrer Tochter. Und natürlich auch den imaginären Muffin!
Der Fall zeigt, wie die Mutter sich von ihrer fünfjährigen Tochter instrumentalisieren lässt.> (S.48)
<berichtet mir lehrbuchartig seine Tricksereien, die er benutzt, weil er nicht aufräumen möchte. Zunächst fordert ihn die Mutter auf, im Wohnzimmer aufzuräumen, daraufhin geht er hoch ins Kinderzimmer. Wenn die Mutter ihm ins Kinderzimmer folgt, geht er runter in den Keller. Wenn die Mutter ihm in den Keller folgt, geht er wieder zurück ins Wohnzimmer. Ich frage grundsätzlich immer nach: „Und dann räumst du deine Sachen auf?“ Antwort: „Nein, nein, dann gehe ich erst noch in den Garten.“ Das Ende vom Lied ist, Arndt räumt gar nicht auf, sondern seine Mutter macht es.
Der Grund für die Vorstellung in der Praxis [des Kinderpsychiaters] ist, dass die Mutter sich große Sorgen wegen der hohen Ängstlichkeit ihres Sohnes macht. Er traue sich bedauerlicherweise auch nicht, in der Schule (2. Klasse) den Vormittag ohne seine Mutter im Klassenraum zu verbringen. Also sitzt die Mutter den gesamten Schulvormittag neben ihm.> (S.78/79)
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